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Grober Behandlungsfehler: Einordnung und Beispiele

Uwe Brocks

Rechtsanwalt

Inhalts­verzeichnis

Grober Behandlungsfehler: Einordnung und Beispiele

Auch Ärzte sind nicht unfehlbar: Jedes Jahr beschäftigen sich deutsche Gerichte mit etwa 13.000 Klagen im Bereich der Arzthaftung. In vielen Fällen können Patienten tatsächlich einen Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld durchsetzen, weil sie einen gesundheitlichen Schaden durch einen ärztlichen Fehler erlitten haben. Grundlage für eine erfolgreiche Anerkennung eines Behandlungsfehlers ist dabei der Nachweis, dass das ärztliche Handeln ursächlich für die erlittene Schädigung war. Diesen Nachweis zu führen, kann schwierig sein, da Betroffene weder über medizinisches Fachwissen verfügen noch Einblick in alle Behandlungsabläufe haben. Zudem kommt es hier nicht selten darauf an, ob ein „einfacher“ oder grober Behandlungsfehler vorliegt. Denn bei einem groben Behandlungsfehler wird die Ursächlichkeit zugunsten der Patienten vermutet.

Das Wichtigste im Überblick

  • Ein grober Behandlungsfehler stellt einen gravierenden Verstoß gegen ärztliche Standards dar.
  • Wird ein grober Behandlungsfehler vom Gericht anerkannt, sind Schmerzensgelder und  Schadensersatzforderungen leicht durchsetzbar.
  • Unsere Rechtsanwälte für Medizinrecht haben bereits zahlreiche Fälle grober Behandlungsfehler erfolgreich vertreten.

Unterscheidung einfacher und grober Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler ist gegeben, wenn der Arzt ohne rechtfertigenden Grund von den geltenden medizinischen Standards abweicht. Als grob ist ein solcher Fehler nach Urteilen des BGH zu bewerten, wenn er geradezu unverständlich ist, weil der Arzt gesicherte medizinische Erkenntnisse oder bewährte Behandlungsmethoden eindeutig außer Acht gelassen hat. Es handelt sich um einen Fehler, der einem Arzt schlicht nicht passieren darf. Ein grober Behandlungsfehler kann sich nicht nur bei der Heilbehandlung im engeren Sinne ereignen, sondern auch bei der Diagnose und Befunderhebung und der Organisation des Behandlungsablaufs. Auch viele kleinere Fehler zusammen können sich in ihrer Häufung so schwerwiegend auswirken, dass sie sich in der Gesamtschau als grober Behandlungsfehler darstellen. Die Einstufung trifft das Gericht, das sich aber hinsichtlich der geltenden ärztlichen Standards auf medizinische Sachverständige stützen muss.

BGH Urteil vom 12. Juni 2018 – VI ZR 285/17: Hier entschied der BGH, dass ein grober Behandlungsfehler vorliegt, wenn wesentliche ärztliche Standards missachtet werden, wie zum Beispiel eine nicht durchgeführte Diagnostik, die dringend erforderlich gewesen wäre.

BGH Urteil vom 6. Juli 2004 – VI ZR 200/03: In diesem Urteil stellte der BGH fest, dass die Einschätzung eines Behandlungsfehlers als „grober Fehler“ davon abhängt, ob er aus der Sicht eines erfahrenen Arztes im betreffenden Fachbereich absolut unverständlich ist.

Beweislastumkehr bei schwerwiegendem Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht

Die Beweislastumkehr ist ein wesentlicher Mechanismus in vielen Haftungsfragen, insbesondere in der Arzthaftung. Normalerweise liegt die Beweislast bei der geschädigten Partei, die nachweisen muss, dass ein Schaden entstanden ist und dieser durch das Verhalten des Schädigers verursacht wurde. In bestimmten Fällen, wie bei groben Behandlungsfehlern, wird die Beweislast jedoch umgekehrt, sodass der Arzt oder das Krankenhaus nachweisen muss, dass der Schaden nicht durch einen Behandlungsfehler verursacht wurde und dieser auch ohne seinen Fehler eingetreten wäre (vgl. § 630h V BGB). Die Beweislastumkehr erleichtert es den Geschädigten erheblich, ihre Ansprüche durchzusetzen.

BGH Urteil vom 21. Dezember 2010 – VI ZR 196/09 (Beweislastumkehr bei Arzthaftung): Dieses Urteil verdeutlicht, dass im Falle eines groben Behandlungsfehlers die Beweislast auf den Arzt übergeht. Es wird angenommen, dass der Fehler den Schaden verursacht hat, es sei denn, der Arzt kann das Gegenteil beweisen.

Ausnahmsweise kommt die Beweislastumkehr dann nicht zum Zug, wenn den Patienten ein erhebliches Mitverschulden trifft, zum Beispiel weil er die Anordnungen oder Empfehlungen des Arztes in vorwerfbarer Weise missachtet hat. Denn dann könnte der Patient seinen Gesundheitsschaden selbst herbeigeführt und zugleich die Rekonstruktion des Behandlungsablaufs verhindert haben.

Beispiele für häufige Fälle grober Behandlungsfehler

Die häufigsten Behandlungsfehler ereignen sich im stationären Bereich. Etwa zwei Drittel der Vorwürfe wegen ärztlichen Fehlverhaltens beziehen sich auf Kliniken, ein Drittel auf niedergelassene Ärzte. Am stärksten betroffen ist die Chirurgie, auf den ersten Plätzen bei den diagnostizierten Leiden liegen Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen sowie Knie- und Hüftgelenkarthrosen. Unter den niedergelassenen Ärzten kommen Orthopäden und Unfallchirurgen besonders oft mit der Arzthaftung in Kontakt, ihnen folgen Hausärzte, Augenärzte und Gynäkologen.

Geburtsschaden

Besonders schwerwiegende Folgen kann ein grober Behandlungsfehler bei der Versorgung von Mutter und Fötus im Rahmen der Schwangerschaft und Geburt haben. Die zu späte Entscheidung für eine Sectio (Kaiserschnitt) oder die zu lange Dauer zwischen Entscheidung und Durchführung (sog. E-E-Zeit) kann einen Geburtsschaden des Kindes mit lebenslangen Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Ebenso kann die mangelhafte Überwachung des Fötus dazu führen, dass notwendige Behandlungen unterlassen werden, sodass ein Geburtsschaden eintritt. Auch bei der Mutter kann es zu einem Geburtsschaden kommen, wenn beispielsweise über Geburtsverletzungen kein ausreichender Befund erhoben wird.

Querschnittslähmung

Bei Rückenoperationen kann sich vor allem die zu späte Entscheidung zu einer Operation oder eine unzureichende Nachsorge fatal auswirken und bis zu anhaltenden, schweren Lähmungen führen. Die häufigsten Behandlungsfehler in diesem Bereich resultieren daraus, dass Ärzte postoperative Probleme wie das Cauda-Syndrom, Nachblutungen oder einen Rezidiv-Bandscheibenvorfall nicht erkennen und hierauf nicht angemessen reagieren. Aktuelle Urteile zeigen, dass deutsche Richter bei Lähmungen besonders hohe Schmerzensgeldbeträge zusprechen, wenn der Patient noch jung ist.

Neurologie

Die häufigsten Behandlungsfehler in der Neurologie liegen darin, dass Ärzte die typischen Symptome eines Schlaganfalls übersehen: Der Hausarzt weist den Patienten nicht umgehend in ein Krankenhaus ein oder dieser wird bei Vorstellung in der Notaufnahme nicht aufgenommen.

Neurochirurgie

Aber nicht nur eine falsch durchgeführte oder unterlassene, sondern auch eine unnötige Operation kann sich als grober Behandlungsfehler darstellen, beispielsweise bei gutartigen Hirntumoren.

Diagnosefehler bei der Krebserkennung

Schließlich können Diagnosefehler gravierende Folgen haben, wenn Ärzte zum Beispiel im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen bösartige Tumore nicht erkennen. Dies kommt vor allem bei Brustkrebs, Prostatakrebs und Hautkrebs vor.

Grober Behandlungsfehler: Wann verjährt der Anspruch?

Grundsätzlich verjähren Ansprüche aus fehlerhaften Heilbehandlungen gemäß § 195 BGB nach drei Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Fehlers vorliegt. Bei der Arzthaftung gilt, dass die Verjährungsfrist erst dann zu laufen beginnt, sobald der Patient von dem Fehler erfahren hat oder davon hätte wissen können. Die Rechtsprechung ist hier sehr patientenfreundlich. Für die Kenntnisnahme hat er bis zu 30 Jahre Zeit, erst nach Ablauf der 30-jährigen Höchstfrist ist der Anspruch auch dann verjährt, wenn der Patient nicht von dem Fehler erfahren hat.

Fazit

Wenn Sie durch einen Behandlungsfehler geschädigt wurden oder einen Angehörigen verloren haben, brauchen Sie einen Anwalt, der sich mit Arzthaftung bestens auskennt und sich für Ihre Rechte starkmacht. Sie haben mit den gesundheitlichen und seelischen Folgen bereits genug zu kämpfen und können keine Energie für nervenaufreibende Gerichtsverfahren aufbringen. Laien können zudem die komplexe medizinische Materie kaum durchblicken, dazu stellt sich die Einstufung als einfacher oder grober Behandlungsfehler rechtlich schwierig dar.

Wir als Anwälte für Medizinrecht vertreten Geschädigte und Ihre Angehörigen vor allem bei Geburtsschäden und Großschäden. Wir versuchen stets, unsere Mandanten in die optimale Beweissituation zu bringen und nach Möglichkeit eine Beweislastumkehr zu erreichen. Anhand einschlägiger Urteile ermitteln wir die angemessene Höhe des Schmerzensgeldes und sorgen dafür, dass Sie wenigstens finanziell bestmöglich entschädigt werden.
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