Verjährung bei Ansprüchen nach Behandlungs­fehlern und Geburts­schäden

Was bedeutet Verjährung?

Aus Gründen der Rechtsicherheit unterliegen Ansprüche regelmäßig der Verjährung. Das bedeutet, dass sie nach Ablauf eines gesetzlich definierten Zeitraumes nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden können, obwohl sie rechtlich gesehen weiterhin bestehen. Der Anspruchsgegner kann sich auf die Verjährung berufen und dann die geschuldete Leistung, z.B. eine Zahlung von Schadensersatz, zu Recht verweigern.

Wann verjähren Ansprüche aus einem Behandlungs­fehler?

Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Behandlungsfehler beträgt gem. § 195 BGB 3 Jahre. Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Fehler passiert ist und der oder die Betroffene von diesem Fehler Kenntnis hat (§ 199 Abs. 1 BGB).

Beispiel:             

Der Behandlungsfehler passiert am 01.12.2021. Die Patientin erfährt erst am 01.02.2022 von dem Fehler. Verjährungsbeginn ist am 31.12.2022 um 24 Uhr. Nach dem Ablauf von 3 Jahren, am 31.12.2025 um 24 Uhr endet die Verjährungsfrist. Ab dem 01.01.2026 kann der Anspruchsgegner die Zahlung jeglicher Schadensersatzzahlungen zu Recht verweigern. Etwas anderes gilt nur, wenn die Verjährung „gehemmt“ wird. Dazu sind „verjährungshemmende Maßnahmen“ erforderlich.

Von großer Bedeutung ist also, wann der oder die Betroffene Kenntnis von dem Fehler erlangt. Hierbei ist im Arzthaftungsrecht die Besonderheit zu beachten, dass allein der schlechte Ausgang einer Behandlung noch keinen Rückschluss auf einen Fehler zulässt. Die Schwierigkeit für die Patient:innen liegt oftmals darin, zu erkennen, ob ihr Gesundheitszustand allein auf ihrer Grunderkrankung oder auf einem fehlerhaften Vorgehen der behandelnden Ärzt:innen beruht. Zudem ist ein Behandlungserfolg von den Ärzt:inne nicht geschuldet (sondern nur die bestmögliche Behandlung). Die Anforderungen an die „Kenntnis“ eines Behandlungsfehlers sind deshalb hoch. Der Patient/ die Patientin muss aus seiner/ ihrer – regelmäßig – Laiensicht von einem Behandlungsfehler erfahren haben und erkannt haben, dass gerade dieser Fehler zu dem bestehenden Schaden geführt hat. Eine korrekte medizinische Einordnung oder Bewertung ist aber nicht erforderlich.

Beispiele für eine verjährungsrelevante Kenntnis:

  • Der behandelnde Arzt selbst erklärt, dass ihm ein Fehler unterlaufen ist.
  • Die Krankenkasse, eine Gutachtenstelle oder eine Nachbehandlerin äußert das Vorliegen eines Fehlers.
  • Die Patientin äußert konkrete Anschuldigungen gegenüber dem Behandler.
  • Es liegt ein Gutachten vor (MD, Schlichtungsstelle), das einen Behandlungsfehler und kausale Gesundheitsschäden bejaht.

Ausnahmsweise beginnt die Frist auch ohne vollständige Kenntnis, nämlich bei sog. grob fahrlässiger Unkenntnis. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der oder die Betroffene seine Augen vor auf der Hand liegenden Erkenntnissen oder Erkenntnismöglichkeiten verschließt. Es ist bereits gerichtlich entschieden worden, dass eine grobe Unkenntnis nicht angenommen wird, wenn die Behandlungsunterlagen vorliegen, diese aber nicht auf Fehler geprüft wurden.

Unabhängig von der Kenntnis der Betroffenen verjähren Schadensersatzansprüche nach Behandlungsfehlern spätestens 30 Jahre nach dem Fehler (§ 199 Abs. 2 BGB). Hierbei handelt es sich um eine sog. absolute Verjährungsfrist.

Kann die Verjährung „aufgehalten“ werden?

Die Verjährung kann von dem Anspruchsinhaber, d.h. dem Patienten / der Patientin gehemmt werden. Das bedeutet, dass der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen ist. Eine Hemmung wird insbesondere ausgelöst durch

  • Verhandlungen zwischen dem / der Geschädigten und dem Schädiger / der Schädigerin (§ 203 BGB).
  • Rechtsverfolgung, d.h. durch eine gerichtliche Klage oder durch ein Verfahren vor einer Schlichtungsstelle der Ärztekammern (§ 204 BGB).

Wichtig ist, dass allein die Beauftragung eines Anwalts oder der Krankenkasse mit der Prüfung des Geschehens nicht ausreicht. Die Gegenseite muss zwingend bereits involviert sein, damit Hemmung eintrifft.

Ist jedoch ein Anwalt oder eine Anwältin beauftragt, ist es ihre / seine Pflicht, die Verjährungsfristen zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

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