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Behandlungsfehler im Rettungsdienst: Haftung, Amtspflichtverletzung & Ihre Rechte

Der Rettungsdienst ist für viele Patientinnen und Patienten der erste Kontaktpunkt mit dem Gesundheitssystem, oft unter lebensbedrohlichen Umständen. Fehler in diesem sensiblen Bereich können schwerwiegende Folgen haben. Doch wer haftet, wenn bei der Notrufbearbeitung, der Versorgung vor Ort oder der Übergabe an das Krankenhaus etwas schiefläuft?

Fehler bei der Notrufbearbeitung: Wenn die Hilfe zu spät kommt

Schon der allererste Schritt in der Rettungskette, der Notruf, kann über den Ausgang einer medizinischen Notlage entscheiden. In den integrierten Leitstellen erfolgt die sogenannte Disposition: Gemeint ist damit die strukturierte Entscheidung darüber, welches Rettungsmittel, etwa ein Rettungswagen (RTW) oder ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF), zum Einsatz kommt. Grundlage sind die geschilderten Symptome sowie verbindliche Einsatzkriterien wie der Notarztindikationskatalog. Diese Phase ist entscheidend, denn sie legt die Weichen für die gesamte weitere Versorgung. Wird hier falsch entschieden, kann dies gravierende medizinische und haftungsrechtliche Folgen haben.

Ein typischer Fehler: Der Disponent stuft einen Notruf als weniger dringlich ein, obwohl die Schilderung des Anrufers auf einen Notarzteinsatz hindeutet. In der Folge wird lediglich ein Rettungswagen (RTW) entsandt, während das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) mit einem Notarzt an Bord zurückbleibt. Das Problem: Der RTW ist zwar mit Notfallsanitätern besetzt, aber diese dürfen – im Gegensatz zum Notarzt – keine invasiven medizinischen Maßnahmen durchführen, etwa Intubationen, Narkosen oder die Gabe bestimmter Medikamente. Bei schweren Notfällen wie einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einem Polytrauma kann dies entscheidend sein. Hinzu kommt, dass in potentiell sehr gefährlichen Situationen auch bei der Diagnostik ein Notarzt hinzugezogen werden soll. Die unzureichende medizinische Versorgung bereits am Einsatzort kann zu gravierenden gesundheitlichen Schäden oder sogar zum Tod des Patienten führen und entsprechende haftungsrechtliche Konsequenzen für Leitstelle und Träger nach sich ziehen.

Die ärztliche Indikation für den Notarzteinsatz ist dabei keineswegs subjektiv: Die Ärztekammern stellen verbindliche Kataloge zur Verfügung, anhand derer medizinische Notlagen eingeordnet werden müssen. Wird ein solcher Katalog nicht beachtet oder falsch angewandt, liegt ein Organisationsverschulden der Leitstelle nahe.

Hilfsfrist überschritten: strukturelle Mängel als Haftungsgrund

Ein weiterer zentraler Aspekt im Rettungsdienst ist die sogenannte Hilfsfrist. Damit ist die maximale Zeit gemeint, die zwischen dem Eingang eines Notrufs in der Leitstelle und dem Eintreffen des ersten qualifizierten Rettungsmittels, etwa eines RTW oder NEF, am Einsatzort vergehen darf. Diese Frist ist gesetzlich oder durch Verwaltungsvorgaben geregelt und variiert je nach Bundesland, liegt aber in der Regel zwischen 8 und 12 Minuten.

Wird diese Zeit überschritten, stellt sich die Frage nach dem „Warum?“: Lag es an unvermeidbaren äußeren Umständen wie starkem Verkehr, Unwetter oder einer plötzlich hohen Zahl gleichzeitiger Notfälle? Oder waren organisatorische Schwächen im System die Ursache, etwa zu wenig Personal, schlecht verteilte Rettungswachen oder eine fehlerhafte Einsatzplanung?

Wenn die Verzögerung auf solche vermeidbaren Mängel zurückzuführen ist und dadurch ein Patient zu Schaden kommt, haftet in der Regel der Träger des Rettungsdienstes, also das Land, der Landkreis oder die Kommune, im Rahmen der sogenannten Amtshaftung (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG). Denn der Rettungsdienst ist in der Notfallrettung hoheitlich tätig und muss dafür sorgen, dass Hilfe rechtzeitig ankommt.

Amtshaftung statt Arzthaftung: Rechtliche Besonderheiten

Die rechtliche Besonderheit bei Fehlern im Rettungsdienst besteht darin, dass es sich meist nicht um klassische Arzthaftung handelt, sondern um sogenannte Amtshaftung. Das bedeutet: Nicht die einzelne Einsatzkraft oder der Notarzt haftet persönlich, sondern der Träger des Rettungsdienstes, also in der Regel die Kommune, das Land oder der Landkreis. Denn die Notfallrettung gilt rechtlich als hoheitliche Aufgabe der Gefahrenabwehr.

Macht der Rettungsdienst dabei Fehler, etwa durch eine falsche Disposition, verspätetes Eintreffen am Einsatzort oder organisatorische Mängel, kann dies eine Verletzung der sogenannten Amtspflichten darstellen. Die daraus entstehenden Ansprüche richten sich gegen den Staat und werden vor den Zivilgerichten geltend gemacht.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Im Fall besonders schwerer Pflichtverletzungen, etwa bei groben Organisationsfehlern oder einer falschen Entscheidung in der Leitstelle, gelten Erleichterungen bei der Beweisführung. Das heißt: Der Geschädigte muss unter Umständen nicht alle Details beweisen, es genügt bereits, dass ein klarer Zusammenhang zwischen dem Fehler und dem Gesundheitsschaden naheliegt.

Rettungssanitäter liefern einen Patienten im Krankenhaus ein.

BGH bestätigt: Fehler in der Leitstelle können haftungsrelevant sein

In einem aktuellen Urteil vom 15. Mai 2025 (Az. III ZR 417/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) unterstrichen, wie hoch die Anforderungen an Rettungsleitstellen sind.

Im entschiedenen Fall hatte – so der Vorwurf – ein Disponent auf einen Notruf zu spät und unzureichend reagiert, trotz klarer Hinweise auf eine akute Schwangerschaftskomplikation.

Die Kläger wurden in diesem Verfahren durch BROCKS Medizinrecht vertreten. Die Kanzlei begleitete das Verfahren bis vor den Bundesgerichtshof und erzielte dort einen wichtigen juristischen Erfolg: Der BGH hob das klageabweisende Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück.

Der Bundesgerichtshof stellte klar:

„Die Entscheidung einer Leitstelle, ob ein Notarzteinsatz erforderlich ist, muss sich an fachlichen Standards orientieren, insbesondere am Notarztindikationskatalog der Bundesärztekammer.“

Zugleich betonte der III. Zivilsenat, dass bei groben Fehlern in der Notrufbearbeitung, etwa dem Unterlassen eines Notarzteinsatzes trotz klarer Hinweise, eine Beweislastumkehr zugunsten der Geschädigten eintreten kann. In solchen Fällen muss nicht mehr die Patientenseite die Kausalität des Fehlers nachweisen, sondern die haftende Körperschaft muss beweisen, dass der Gesundheitsschaden auch bei korrektem Verhalten eingetreten wäre.

Das Urteil ist ein Meilenstein für die Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen im Rettungsdienst. Es zeigt deutlich: Fehler passieren nicht nur im Krankenhaus, auch die Entscheidungen am Telefon können Leben kosten. Und sie sind juristisch voll überprüfbar.

Vor Ort: Falsche Einschätzung der Lage durch Einsatzkräfte

Ist das Rettungsmittel eingetroffen, stellt sich die nächste kritische Frage: Wurde der Ernst der Lage richtig erkannt?

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Patienten, obwohl behandlungsbedürftig, zu Hause belassen werden, etwa bei unterschätzten neurologischen Symptomen oder bei starken Schmerzen unklarer Ursache. Wird in solchen Fällen keine ausreichende Diagnostik veranlasst oder auf einen Krankenhaustransport verzichtet, liegt ein potenzieller Behandlungsfehler vor.

Auch die erste medizinische Versorgung vor Ort kann fehlerhaft sein, etwa wenn Medikamente nicht dokumentiert, Vitalparameter nicht erfasst oder EKG-Befunde übersehen werden.

Ein besonders sensibler Moment im Ablauf eines Rettungseinsatzes ist die Übergabe des Patienten vom Rettungsdienst an das Krankenhaus. Genau hier entstehen in der Praxis immer wieder schwerwiegende Fehler, oft mit gravierenden Folgen für die Patientensicherheit.

Ein typisches Szenario: Das Rettungsteam bringt den Patienten in die Notaufnahme, überreicht das Einsatzprotokoll, doch dieses wird in der Klinik nicht gelesen, nicht ausgewertet oder einfach ignoriert. Wichtige Informationen aus dem Rettungseinsatz, etwa zu Symptomen, zur Medikation oder zu Verdachtsdiagnosen, gehen dabei verloren.

Solche Versäumnisse sind nicht nur medizinisch problematisch, sondern auch rechtlich relevant. Denn laut § 630f Abs. 2 BGB ist die Dokumentation des Rettungsdienstes verpflichtend in die Patientenakte aufzunehmen und damit von den Ärzten zu berücksichtigen.

Werden dort vermerkte Hinweise, etwa ein Verdacht auf Schlaganfall oder eine kritische Vitalwertabweichung nicht beachtet, handelt es sich um ein sogenanntes behandlungsfehlerhaftes Unterlassen. Das heißt: Die Klinik hat dann ihre Pflicht verletzt, den Patienten auf Grundlage aller vorliegenden Informationen fachgerecht weiter zu behandeln.

Beispiel

Dokumentiert der Notarzt einen Hinweis auf eine mögliche Hirnblutung („plötzliches Knallgefühl im Kopf“) und wird dies in der Notaufnahme nicht durch ein CT / MRT abgeklärt, kann dies als grober Behandlungsfehler gewertet werden, mit weitreichenden haftungsrechtlichen Konsequenzen.

Die Verantwortung endet also nicht mit der Übergabe an der Tür. Die im Protokoll enthaltenen Informationen müssen aktiv wahrgenommen und medizinisch bewertet werden. Andernfalls trägt das Krankenhaus die Verantwortung für mögliche Schäden, die aus dem Informationsverlust entstehen.

Dokumentationsfehler: Wenn Protokolle lückenhaft sind

Die Einsatzdokumentation (etwa per DIVI-Protokoll) ist ein zentrales Beweismittel. Enthält sie Lücken oder widersprüchliche Angaben, wird im Haftungsprozess regelmäßig vermutet, dass eine Maßnahme nicht durchgeführt wurde, wenn sie nicht dokumentiert ist (§ 630h Abs. 3 BGB).

Besonders kritisch ist dies bei Medikamentengaben, EKG-Dokumentation oder neurologischen Auffälligkeiten. Fehlen solche Angaben, obwohl sie medizinisch angezeigt gewesen wären, liegt ein Befunderhebungsfehler nahe.

Rettungseinsatzwagen an einer Unfallstelle

Krankentransport oder Notfallrettung? Ein juristisch entscheidender Unterschied

Nicht jeder Einsatz eines Rettungswagens ist gleich ein medizinischer Notfall. Juristisch ist es entscheidend, ob es sich um einen echten Notfalleinsatz oder um einen sogenannten Krankentransport handelt, denn davon hängt ab, wer im Falle eines Fehlers haftet.

Bei einem Notfalleinsatz, also etwa bei einem Herzinfarkt, einem schweren Unfall oder akuten Symptomen, übernimmt der Rettungsdienst eine hoheitliche Aufgabe im Rahmen der Gefahrenabwehr. In diesen Fällen greift die Amtshaftung: Nicht die einzelnen Sanitäter haften, sondern der Träger des Rettungsdienstes, meist die Kommune, das Land oder der Landkreis.

Anders sieht es aus, wenn der Einsatz kein akuter medizinischer Notfall ist, sondern z. B. eine geplante Verlegung ins Krankenhaus, ein Dialysefahrdienst oder ein Rücktransport aus einer Reha-Klinik. In solchen Fällen spricht man von einem qualifizierten Krankentransport, dieser wird privatrechtlich organisiert, häufig durch beauftragte Unternehmen oder Hilfsorganisationen.

Und das hat Folgen: Bei Fehlern während eines Krankentransports – etwa falscher Lagerung, unzureichender Überwachung oder Verspätung – gelten die regulären zivilrechtlichen Haftungsregeln. Die Betroffenen müssen dann Ansprüche direkt gegen das beauftragte Unternehmen geltend machen.

Für Betroffene ist die Unterscheidung entscheidend, um den richtigen Anspruchsgegner zu identifizieren und rechtlich korrekt vorzugehen. Deshalb prüfen wir in jedem Fall genau, ob es sich tatsächlich um Notfallrettung oder um Krankentransport handelte, denn davon hängt ab, ob die Amtshaftung greift oder nicht

Ihre Rechte als Betroffene: Wir setzen uns für Sie ein

Behandlungsfehler im Rettungsdienst sind nicht nur medizinisch, sondern auch juristisch hochkomplex. Wer betroffen ist, sollte seinen Fall von spezialisierten Fachanwältinnen und Fachanwälten für Medizinrecht prüfen lassen.

Die gute Nachricht: Dank klarer Dokumentationspflichten, struktureller Standards und aktueller Rechtsprechung bestehen gute Erfolgsaussichten, wenn ein Fehler nachgewiesen werden kann.

Typische Anhaltspunkte für eine mögliche Haftung:

  • Die Notrufbearbeitung war fehlerhaft oder zu spät
  • Ein Notarzt wurde nicht alarmiert, obwohl medizinisch erforderlich
  • Die Anfahrt war unvertretbar lang
  • Die Verlegung ins Krankenhaus unterbleibt
  • Die Übergabe an das Krankenhaus war unvollständig
  • Das DIVI-Protokoll ist widersprüchlich oder unvollständig.

Wenn im Rettungseinsatz Fehler passieren, braucht es rechtliche Klarheit

Der Rettungsdienst ist der erste Baustein medizinischer Notfallversorgung und gerade deshalb von großer haftungsrechtlicher Bedeutung. Fehler bei der Notrufbearbeitung, verspätete Anfahrten, unzureichende Erstversorgung oder lückenhafte Übergaben können gravierende Schäden verursachen, die Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz nach sich ziehen, sowohl gegenüber dem Träger des Rettungsdienstes als auch gegebenenfalls gegenüber beteiligten Ärzten oder dem Krankenhaus.

BROCKS Medizinrecht ist auf medizinrechtliche Fragestellungen spezialisiert. Wir prüfen Ihren Fall mit der gebotenen Gründlichkeit, medizinischer Sachkenntnis und dem juristischen Durchblick, den es in solchen Verfahren braucht. Dabei wissen wir, dass es nicht nur um rechtliche Fragen geht, sondern oft auch um belastende persönliche Erfahrungen. Wir nehmen uns die Zeit, Ihre Situation wirklich zu verstehen und setzen uns dafür ein, dass Sie zu Ihrem Recht kommen.

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