Ein Herzinfarkt ist ein medizinischer Notfall, bei dem schnelle und präzise Diagnostik über Leben und Tod entscheiden kann. Doch in der Praxis zeigt sich, dass nicht immer rechtzeitig oder richtig gehandelt wird, sei es in der Hausarztpraxis, im Krankenhaus oder durch den Rettungsdienst. Kommt es dabei zu einem Behandlungsfehler, können schwerwiegende, oft irreversible gesundheitliche Schäden oder gar ein tödlicher Verlauf die Folge sein. Für Betroffene stellt sich dann die Frage: Wer haftet und welche Rechte bestehen?
Wenn der Hausarzt die Symptome verkennt
Selbst in der medizinischen Praxis halten sich bezüglich der Diagnose eines Herzinfarkts gefährliche Mythen. So wird ein Herzinfarkt oft nur bei klassischem „Vernichtungsschmerz in der Brust“ vermutet. Fehlen diese typischen Zeichen, wird die Erkrankung unterschätzt. Doch die medizinische Leitlinie ist eindeutig: Der Herzinfarkt ist eine Ausschlussdiagnose. Gibt es keine sichere alternative Erklärung, muss so lange untersucht werden, bis ein Herzinfarkt mit Sicherheit ausgeschlossen ist.
Herzinfarkte äußern sich nicht immer dramatisch. Besonders bei Frauen, Diabetikern oder älteren Menschen treten oft unspezifische Symptome auf, wie
- Druck in der Brust,
- Atemnot,
- Schwindel oder
- Schmerzen im Arm.
Genau hier beginnt die ärztliche Verantwortung: Auch wenn keine klare Ursache erkennbar ist, muss ein Herzinfarkt zwingend ausgeschlossen werden. Das gilt insbesondere, wenn keine äußeren Ereignisse (wie Sturz oder Prellung) die Beschwerden erklären.
Hausärzte tragen bei unklaren Brustschmerzen eine besondere Verantwortung. Zeigen sich unspezifische Symptome, ohne erkennbare äußere Ursache, müssen sie den Verdacht auf einen Herzinfarkt ernst nehmen und gezielt abklären. Dazu gehört zunächst eine gründliche Anamnese, bei der
- die Art der Beschwerden,
- Vorerkrankungen,
- Risikofaktoren und
- bisherige Befunde
systematisch erfasst werden. Im Anschluss ist die Durchführung eines Elektrokardiogramms (EKG) zwingend erforderlich und zwar nicht nur einmalig, sondern bei unklarer Lage auch im zeitlichen Verlauf wiederholt, da typische Veränderungen zunächst ausbleiben können. Zusätzlich müssen herzspezifische Laborwerte, insbesondere Troponin, erhoben werden, da diese Hinweise auf eine Schädigung des Herzmuskels geben.
Wenn eine verlässliche Abklärung in der Praxis nicht möglich ist oder die Beschwerden anhalten, ist der Patient unverzüglich stationär in ein Krankenhaus einzuweisen, gegebenenfalls mit Organisation eines Krankentransports. Dieses abgestufte Vorgehen ist nicht optional, sondern medizinisch und rechtlich geboten, um schwerwiegende Komplikationen wie eine verzögerte Herzinfarktdiagnose zu vermeiden. Macht er dies nicht, etwa weil der Patient „noch eben vor Praxisschluss“ erscheint oder Beschwerden als Bagatelle abgetan werden, liegt in vielen Fällen ein Behandlungsfehler vor.
Wichtig
Bei einer unterlassenen Befunderhebung gelten rechtliche Beweiserleichterungen zugunsten der Patientin bzw. des Patienten, selbst dann, wenn nicht nachweisbar ist, dass eine korrekte Behandlung den Herzinfarkt sicher verhindert hätte.
Übergabe an die Klinik und dann?
Auch nach der Einweisung ins Krankenhaus bestehen weiterhin hohe Anforderungen an die ärztliche Sorgfalt. Denn auch im stationären Bereich kann es zu schwerwiegenden Versäumnissen vor allem bei der Überwachung nach der Erstversorgung eines Herzinfarkts kommen.
Fehler im Krankenhaus können sein:
- Verfrühte Entlassung oder Beendigung der Überwachung
- Unzureichende Diagnostik bei erneutem Brustschmerz
- Unklare Befundlage ohne Verlaufsbeobachtung
- Kommunikationsfehler bei der Übergabe vom Rettungsdienst
Ein Herzinfarkt kann einen zweiten Infarkt nach sich ziehen, oft mit deutlich schwereren Folgen. Wer dann nicht durchgängig überwacht oder gründlich nachuntersucht wird, trägt ein erheblich erhöhtes Risiko. Auch hier gilt: Unterlassene Befunderhebungen führen zu Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten.

Behandlungsfehler im Rettungsdienst: Fehlerketten erkennen und vermeiden
Gerade beim Herzinfarkt spielt der Rettungsdienst eine zentrale Rolle, denn oft ist er die erste Instanz in der Versorgungskette. Fehler, die hier geschehen, wirken sich unmittelbar auf die Prognose des Patienten aus und können haftungsrechtlich gravierende Folgen haben.
Fehler bei der Notrufbearbeitung
Schon am Telefon entscheidet die Leitstelle über die Weichenstellung des Einsatzes. Wird ein Herzinfarktverdacht nicht erkannt oder der Einsatz fälschlich als weniger dringlich eingestuft, kann es passieren, dass kein Notarzt entsandt wird. Ein Rettungswagen ohne Notarzt an Bord darf jedoch keine invasiven Maßnahmen durchführen. Im Falle eines akuten Infarkts kann dies lebensbedrohlich sein. In solchen Fällen liegt häufig ein Organisationsverschulden vor, für das der Träger des Rettungsdienstes haftet.
Verspätetes Eintreffen am Einsatzort (Hilfsfrist)
Die sogenannte Hilfsfrist liegt in den meisten Bundesländern zwischen 8 und 12 Minuten. Bei Infarkten zählt jedoch jede Minute, da die Überlebenswahrscheinlichkeit pro Minute sinkt. Wird diese Zeit durch organisatorische Defizite überschritten (z. B. zu wenige Rettungswachen, falsche Einsatzplanung), haftet der Rettungsdienstträger unter Umständen wegen Amtspflichtverletzung.
Fehler vor Ort
Kommt der Rettungsdienst an, ist die präzise Ersteinschätzung entscheidend. Ein typisches Risiko ist, dass Patienten mit unklaren Beschwerden zu Hause belassen werden, anstatt sie ins Krankenhaus zu transportieren. Auch lückenhafte Diagnostik (fehlendes oder nicht ausgewertetes EKG, unzureichende Vitalwertkontrolle) und nicht dokumentierte Medikamentengaben sind häufige Fehlerquellen.
Probleme bei der Übergabe an die Klinik
Besonders gefährlich ist eine unvollständige Übergabe in der Notaufnahme. Wenn Hinweise aus dem Rettungsdienstprotokoll – etwa zu Brustschmerz, Atemnot oder auffälligen Vitalwerten – nicht berücksichtigt werden, spricht man von einem behandlungsfehlerhaften Unterlassen. Nach § 630f Abs. 2 BGB ist die Klinik verpflichtet, die Angaben des Rettungsdienstes in die Patientenakte zu übernehmen und in der weiteren Diagnostik zu berücksichtigen.
Dokumentationsmängel
Auch ein lückenhaftes Einsatzprotokoll ist haftungsrechtlich relevant. Denn gilt eine Maßnahme als nicht dokumentiert, wird im Streitfall regelmäßig vermutet, dass sie auch nicht durchgeführt wurde (§ 630h Abs. 3 BGB).
Damit zeigt sich: Fehler im Rettungsdienst sind nicht nur medizinische Versäumnisse, sondern können rechtlich weitreichende Konsequenzen haben. Besonders beim Herzinfarkt ist deshalb eine lückenlose Rettungskette – von der Notrufannahme über die Ersteinschätzung bis zur vollständigen Übergabe an die Klinik – zwingend erforderlich.
Stationäre Notfallversorgung am Wochenende: Risiko durch Personalmangel?
Viele Herzinfarkte treten nachts oder am Wochenende auf, genau dann, wenn Krankenhäuser häufig mit weniger Personal besetzt sind und Abläufe nicht so eingespielt sind wie werktags. Dann besteht das erhöhte Risiko, dass unspezifische Beschwerden wie Schwindel, Atemnot oder epigastrische Schmerzen vorschnell als harmlos eingestuft werden. Dabei gilt auch nachts und am Wochenende dieselbe ärztliche Sorgfaltspflicht wie am Tag.
Besonders kritisch ist, dass wichtige Laborwerte wie Troponin erst zeitverzögert ansteigen. Wird eine Wiederholungskontrolle versäumt oder mangels Personal verschoben, kann ein zunächst übersehener Infarkt unentdeckt bleiben. Kommt es dann später zu einem schweren Verlauf, spricht man von einem Befunderhebungsfehler mit Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten (§ 630h Abs. 5 BGB).
Die Rechtsprechung ist eindeutig: Personalmangel entschuldigt keine medizinischen Versäumnisse. So hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 29.03.2011 – VI ZR 117/10) betont, dass organisatorische Engpässe niemals zu Lasten der Patientensicherheit gehen dürfen.
Kann ein Krankenhaus nachts oder am Wochenende keine zuverlässige Diagnostik, Überwachung oder Rufbereitschaften gewährleisten, liegt ein Organisationsverschulden vor. Auch ein „Wochenendinfarkt“ darf selbstverständlich nicht mit geringerer Sorgfalt behandelt werden, andernfalls bestehen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Ihre Rechte als Betroffene oder Angehörige
Wenn ein Herzinfarkt zu spät erkannt oder nicht korrekt behandelt wird, ist das nicht automatisch ein Schicksalsschlag. Je nach Versäumnis und Verlauf kann ein Behandlungsfehler vorliegen, der zu Ansprüchen auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz führt.
Typische, juristisch relevante Fehler:
- Unterlassene EKG-Kontrolle bei unklarer Symptomatik
- Keine stationäre Überwachung trotz Risikobefunden
- Fehlende oder verspätete Einweisung durch den Hausarzt
- Verfrühte Beendigung der Überwachung im Krankenhaus
- Versäumnisse bei der Rettungskette und Notrufbearbeitung
Für Geschädigte und Angehörige stellt sich oft die Frage: Wer haftet und wie weise ich den Fehler nach? Hier gilt: Je gravierender das Versäumnis, desto geringer sind die Anforderungen an den Nachweis des Zusammenhangs. Zum Beispiel kehrt sich bei unterlassener Befunderhebung oder groben Behandlungsfehlern die Beweislast in vielen Fällen zugunsten der Betroffenen um.
Unsere Unterstützung für Betroffene
Ein Herzinfarkt und mögliche Behandlungsfehler sind für Patientinnen, Patienten und Angehörige eine enorme Belastung. Wir nehmen Ihre Sorgen ernst und prüfen Ihren Fall mit der gebotenen juristischen Sorgfalt. Als spezialisierte Kanzlei für Medizinrecht verfügen wir über langjährige Erfahrung und arbeiten eng mit medizinischen Sachverständigen zusammen, um Ihre Ansprüche konsequent durchzusetzen.
Wenn Sie vermuten, dass in Ihrem Fall Fehler passiert sind, zögern Sie nicht, uns anzusprechen. Wir nehmen uns die Zeit, Ihre Situation wirklich zu verstehen, und begleiten Sie mit Fachkenntnis und Empathie. Vereinbaren Sie gerne ein erstes Gespräch, um Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu klären.
Häufig gestellte Fragen zu Behandlungsfehler bei Herzinfarkt
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ärztliche Maßnahmen nicht dem medizinischen Standard entsprechen, z. B. wenn notwendige Untersuchungen (EKG, Troponin-Kontrollen) unterbleiben, Beschwerden als harmlos eingestuft werden oder eine stationäre Überwachung nicht erfolgt. Entscheidend ist, ob das Versäumnis nach den geltenden Leitlinien vermeidbar gewesen wäre.
Besonders gefährlich ist es, wenn unspezifische Symptome wie Atemnot, Schwindel oder Druckgefühle in der Brust nicht ernst genommen werden. Unterbleibt dann eine EKG- oder Laboruntersuchung oder wird die Überweisung ins Krankenhaus verzögert, spricht vieles für einen Befunderhebungsfehler.
Häufige Probleme sind eine zu frühe Entlassung, fehlende Kontrolle bei wieder auftretenden Schmerzen, unzureichende Befunddokumentation oder eine mangelhafte Überwachung. Auch Kommunikationsfehler zwischen Rettungsdienst und Klinikpersonal spielen eine Rolle.
Schon bei der Notrufannahme oder Disposition können gravierende Fehler entstehen, etwa wenn kein Notarzt geschickt wird. Vor Ort sind unzureichende Diagnostik, lückenhafte Protokolle oder eine fehlerhafte Übergabe an die Klinik problematisch. Juristisch handelt es sich oft um Amtshaftung, das heißt: Der Träger des Rettungsdienstes haftet für Fehler, nicht die einzelnen Einsatzkräfte.
Auch bei geringer Personalstärke gelten dieselben Sorgfaltspflichten wie werktags. Wird aus organisatorischen Gründen auf Wiederholungskontrollen oder Überwachung verzichtet, kann ein übersehener Infarkt schnell lebensbedrohlich werden. Gerichte werten dies regelmäßig als Organisationsverschulden, für das der Krankenhausträger haftet.
Je nach Schwere des Fehlers bestehen Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Besonders bei Befunderhebungsfehlern profitieren Patient:innen von Beweiserleichterungen (§ 630h Abs. 5 BGB): Dann muss das Krankenhaus darlegen, dass auch bei richtiger Behandlung kein besseres Ergebnis eingetreten wäre.
Entscheidend sind die ärztliche Dokumentation, Protokolle des Rettungsdienstes und ggf. Gutachten. Fachanwälte für Medizinrecht werten die Unterlagen aus und prüfen, ob ein Verstoß gegen Leitlinien oder Standards vorliegt.