Häufige Fehler bei der Sectio-Aufklärung

Neben einer spontanen vaginalen Geburt kann die Geburt auch durch eine sog. Sectio Caesarea („Kaiserschnitt“), kurz Sectio, erfolgen. Beide Geburtsmodi bringen verschiedene Vor- und Nachteile bzw. Risiken mit sich.

Sind beide Wege bei einer Schwangeren gleichermaßen indiziert, müssen sie dieser auch als Alternativen aufgezeigt werden. Man bezeichnet dies als Alternativaufklärung. Eine Pflicht zur Alternativaufklärung ergibt sich aus § 630e BGB. Dabei müssen nicht nur die Maßnahmen selbst, sondern auch ihre Vor- und Nachteile aufgezeigt werden.

Eine wesentliche Besonderheit bei der Aufklärung von Schwangeren ergibt sich daraus, dass nicht nur über die Vor- und Nachteile der Maßnahme für die Schwangere selbst aufgeklärt wird. Es hat immer eine Abwägung zwischen den Gefahren, Risiken und Chancen für den Fetus mit denen für die Mutter stattzufinden. Das wirft rechtliche Fragen auf, die so nur im Geburtsschadensrecht zu finden sind.

Aufgrund dieser Besonderheit kommt es im Rahmen der Betreuung von Schwangeren nicht selten zu Aufklärungsfehlern. Solche Aufklärungsfehler können, wie klassische Behandlungsfehler, zu einer Haftung der Behandelnden oder des Krankenhauses führen.

Häufige Fehler bei der Sectio-Aufklärung sind folgende:

1. Verspätete Aufklärung

Eine Aufklärung ist immer nur dann wirksam, wenn sie rechtzeitig erfolgt. Diese Voraussetzung ist in § 630 e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB ausdrücklich geregelt. Der Schwangeren muss nach dieser Norm ausreichend Zeit eingeräumt werden, ihre Entscheidung wohlüberlegt zu treffen. Wie viel Bedenkzeit eingeräumt werden muss, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Bei der Bemessung der Bedenkzeit kommt es entscheidend auf die Dringlichkeit, die Schwere und die Risiken des geplanten Eingriffs an. Mit Blick auf eine Sectio kann in der geburtshilflichen Praxis zwischen zwei Konstellationen unterschieden werden:

Konstellation 1:

Haben Geburtsplanungen bzw. Vorgespräche nicht stattgefunden, stellt sich die Schwangere in der Regel mit Wehentätigkeit und / oder bei Geburtsbeginn im Kreißsaal vor. In dieser Situation hängt die Frage, ob und wenn ja, wieviel Bedenkzeit für die Entscheidungen für oder gegen eine Sectio eingeräumt werden muss, vom Geburtsfortschritt und der konkreten geburtshilflichen Situation ab. Eine Bedenkzeit muss immer dann eingeräumt werden, wenn sich dadurch, dass die Entscheidung über den Geburtsmodus erst nach Einräumen einer Bedenkzeit getroffen wird, keine Nachteile ergeben. Von der Bedenkzeit kann nur dann abgewichen werden, wenn die Patientin darauf verzichtet, weil sie die Entscheidung bereits wohlüberlegt getroffen hat. Muss die Entscheidung über den Geburtsmodus dagegen zum Schutz von Kind und / oder Mutter schnell getroffen werden, ist die Situation eine andere: Liegt z. B. ein vorzeitiger Blasensprung vor und tritt das Kind bei vollständig eröffnetem Muttermund schnell tiefer, wird eine Bedenkzeit nicht eingeräumt werden können. Befindet sich die Schwangere hingegen noch in der Austrittsphase, kann regelmäßig bis zur vollständigen Eröffnung des Muttermunds Bedenkzeit eingeräumt werden. Dies darf allerdings nicht zu vermeidbaren Verzögerungen bei der Umsetzung einer im Raum stehenden Sectio führen.

Ob die Aufklärung in dieser Konstellation rechtzeitig erfolgt ist, hängt also davon ab, ob die mögliche Bedenkzeit gewährt wurde.

Konstellation 2:

Wird hingegen einige Wochen oder Tage vor dem errechneten Geburtstermin ein Termin zur Geburtsplanung wahrgenommen, ist die Aufklärung stets rechtzeitig. Entscheidend ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Umstände vorliegen, die eine Sectio relativ indizieren, d.h. es bestehen zwar Gründe für eine Sectio, diese sind aber nicht zwingend (z. B. Beckenendlage, Mehrlinge ohne zusätzliche Risiken). Ist dies der Fall muss bereits zu diesem Zeitpunkt mit der Schwangeren über die bestehenden Risiken und die daraus resultierende relative Sectioindikation gesprochen werden. Gleiches gilt, wenn nach Geburtsbeginn deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Geburtsvorgang so entwickeln könnte, dass die Schnittentbindung eine echte Alternative zur vaginalen Entbindung wird. In diesem Fall ist eine unverzügliche Aufklärung nach Kenntnis der indikationsbegründenden Umstände verpflichtend. Erfolgt diese nicht, muss sie so zeitnah wie möglich nachgeholt werden. Verzögert sich dadurch die Sectio, kann diese (schuldhafte) Verzögerung bereits Schadensersatzansprüche auslösen. Erfolgt eine frühzeitige Aufklärung und verwirklicht sich die konkrete Situation, über die aufgeklärt wurde, ist eine erneute Aufklärung später nicht mehr notwendig.

2. Keine erneute Aufklärung bei veränderten Umständen

Eine Aufklärung im Voraus der Geburt genügt jedoch nicht immer.

In manchen Fällen ist es notwendig, dass im Verlauf der Schwangerschaft oder der Geburt ein weiteres Mal aufgeklärt wird. Eine nochmalige Aufklärung über die Möglichkeit der Sectio ist – in Abgrenzung zur oben dargestellten Situation – dann erforderlich, wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der Einschätzung hinsichtlich der Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden führen.

Diese Veränderungen müssen die unterschiedlichen Entbindungsmethoden „in einem neuen Licht“ erscheinen lassen. In einem solchen Fall muss erneut aufgeklärt werde. Diese erneute Aufklärung muss gem. § 630 f Abs. 2 BGB auch dokumentiert werden. Anderenfalls wird den Behandlern der Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung und der wirksamen Einwilligung in der Praxis kaum gelingen können. Die Beweislast der ordnungsgemäßen Aufklärung obliegt den Behandlern und nicht den Patienten, § 630 h Abs. 2 BGB (sog. Beweislast).

Nicht entscheidend für die Erforderlichkeit einer erneuten Aufklärung ist, ob die Veränderung auf einer Veränderung der Situation (z.B. krankhafte Werte nach einer Fetalblutanalyse) oder aufgrund neuer Erkenntnisse (z. B. Mitteilung der Schwangeren nach Geburtsbeginn, dass es bei ihr vor einiger Zeit zu einer operativen Eröffnung der Gebärmutter gekommen ist) beruht.

3. Alternativaufklärung trotz absoluter Sectioindikation

Neben einer relativen Indikation kann auch eine absolute Indikation vorliegen. Letzteres ist der Fall, wenn ein oder mehrere zwingende Gründe vorliegen, eine bestimmte Behandlung durchzuführen.

Liegt eine absolute Sectioindikation vor, entspricht also nur die Sectio dem „geburtshilflichen Facharztstandard“ – die vaginale Geburt nicht. Wird trotzdem eine vaginale Geburt angestrebt, ist diese geburtshilfliche Betreuung behandlungsfehlerhaft. Dennoch kommt es in der forensischen Praxis immer wieder vor, dass die Schwangeren in dieser Situation über die alternativen Geburtsmodi (Sectio vs. Vaginalgeburt) aufgeklärt werden (Alternativaufklärung).

Entscheidet sich die Patientin nach einer solchen Aufklärung für eine vaginale Geburt und kommt es zu Schäden, begründet dies Schadensersatzansprüche.

In diesen Situationen wird den Patientinnen fehlerhaft die vaginale Geburt als „echte Behandlungsalternative“ angeboten, obwohl sie dies bei einer absoluten Sectioindikation gerade nicht darstellt. Deshalb gilt es im Falle einer absoluten Sectioindikation Folgendes:

Eine Alternativaufklärung darf nicht erfolgen. Die Schwangere muss jedoch weiterhin über die Risiken der Sectio aufgeklärt werden. Ihr muss deutlich vermittelt werden, dass ein Festhalten an der Vaginalgeburt eine Unterschreitung des geburtshilflichen Standards und damit einen Behandlungsfehler darstellen würde.

Besteht die Patientin trotz absoluter Sectioindikation auf eine vaginale Geburt, darf gegen ihren Willen unter keine Sectio durchgeführt werden. In diesem Fall wünscht die Patientin ausdrücklich eine standardunterschreitende Behandlung. Eine solche Behandlung ist bei ausdrücklicher Vereinbarung und auf Wunsch der Patientin gem. § 630 a Abs. 2 BGB zulässig. Die Behandelnden müssen die Situation, die Gesprächsinhalte und vor allem die Entscheidung der Schwangeren dann ausführlich dokumentieren und sich dies von der Schwangeren in Anwesenheit von Zeugen unterschreiben zu lassen. Dieser Beweis gelingt den Ärzten in der Regel nicht.

4. Fehlerhafte Berücksichtigung der Wünsche der Schwangeren

Von besonderer Bedeutung und gleichzeitig von besonderer Schwierigkeit, ist die Frage, wie mit den Wünschen der Schwangeren umgegangen werden muss. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass über die Möglichkeit einer Sectio in einer normalen Entbindungssituation nicht aufgeklärt werden muss. Dies hat weniger rechtliche als medizinische Gründe: Das Nutzen-Risiko- Verhältnis spricht grundsätzlich für eine vaginale Geburt und gegen eine Sectio, wenn keine individuellen Risikofaktoren vorliegen. Die mütterliche Morbidität (Häufigkeit von Erkrankungen) und Mortalität (Sterblichkeit) sind nach einem Kaiserschnitt im Vergleich zur Spontangeburt noch immer höher.

Liegt keine medizinische Indikation zur Sectio vor, wünscht die Schwangere jedoch eine Sectio, muss diese darüber aufgeklärt werden, dass die Sectio keine medizinisch gleichwertige Alternative ist. Man bezeichnet eine solche Sectio als „elektive Sectio“ oder „Wunschsectio“. Auch hier gilt: Die elektive Sectio ist ein medizinisch nicht indizierter Eingriff, der rechtlich als Standardunterschreitung, d.h. als Behandlungsfehler zu klassifizieren ist, weil sie aus medizinischer Sicht keine echte Behandlungsalternative zur vaginalen Geburt darstellt.

Soweit die Grenzen von Treu und Glauben, die nur ausnahmsweise zum Tragen kommen können (z. B. erheblich gesteigerte Gefahren für die Mutter aufgrund verschiedener Vorerkrankungen und keine Risiken des Kindes bei Vaginalgeburt), eingehalten werden, kann eine solche Standardunterschreitung auch hier vereinbart werden. Die Aufklärung über Vor- und Nachteile sowie über die Risiken muss in diesem Fall jedoch sehr konkret erfolgen. Die Anforderungen an die Aufklärung sind vergleichbar mit dem Maßstab der bei kosmetischen Operationen („Schönheitsoperationen“) gilt. Diese sind im Regelfall ebenfalls nicht indiziert und wurden in der Rechtsprechung bereits häufig thematisiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss vor entsprechenden Eingriffen „schonungslos“ aufgeklärt werden. Diese „Schonungslosigkeit“ muss später in haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen von den Behandelnden bewiesen werden. Dies kann ihnen nur durch eine eindeutige Dokumentation gelingen.

Eng damit verbunden ist die Frage, wie sich eine Äußerung der Schwangeren, „niedrigschwellig“ eine Sectio zu wünschen, bei der Aufklärung zu berücksichtigen ist. In diesen Konstellationen äußern Schwangere, zunächst eine vaginale Geburt anstreben zu wollen. Gleichzeitig wünschen sie bei Auffälligkeiten oder Pathologien unter der Geburt eine zügige Sectioindikation. In diesen Situationen verschiebt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Schwelle zur Indikationsstellung (relative Sectioindikation). Der Wunsch der Schwangeren führt in diesen Fällen dazu, dass Auffälligkeiten unter der Geburt früher als üblich mit der Schwangeren zu besprechen sind und ihr früher die Möglichkeit einer Sectio aufgezeigt werden muss. Der Wunsch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs somit ein Faktor, der bei der Indikationsstellung (und damit bei der Bestimmung des Facharztstandards in der konkreten Situation) zu berücksichtigen ist. Anders als bei der elektiven Sectio ist eine Sectio in diesen Fällen nicht standardunterschreitend, weil der Wunsch einer niedrigschwelligen Sectio gepaart mit auftretenden Risiken unter der Geburt die Indikation begründen kann.

Der Wunsch der Schwangeren, dass bei kleineren Auffälligkeiten bzw. Pathologien unter der Geburt eine Sectio durchgeführt werden soll, muss also unter der Geburt berücksichtigt werden.

5. Keine Aufklärung über die Sectio bei Risiken für die Mutter

In den letzten Jahren verfolgen zunehmend auch Mütter, die unter der Geburt Gesundheitsschäden erlitten haben, Schadensersatzansprüche, was nur allzu verständlich ist. Nicht jeder Gesundheitsschaden nach der Geburt ist vermeidbar. Aber auch nicht jeder Gesundheitsschaden muss einfach so hingenommen werden. Es geht also nicht nur um Schäden des Kindes. Bei den Schäden der Mütter geht es vor allem um Beckenbodenschäden, die durch die vaginale Geburt entstanden sind. Betroffene stellen sich die Frage, ob sie nicht (vorher) über die Möglichkeit einer Sectio zur Vermeidung der Schäden hätten aufgeklärt werden müssen.

Liegen keine besonderen Risiken für das ungeborene Kind oder Umstände vor, die das Risiko von Geburtsverletzungen bei der Mutter ansteigen lassen (z. B. Kindsgewicht und geringe Körpergröße der Mutter), muss aus rechtlicher Sicht über Risiken der Mutter bei einer vaginalen Geburt nicht aufgeklärt werden. Hintergrund ist, dass die Mutter sich der Geburt nicht entziehen kann. Eine vaginale Geburt würde vielmehr auch auf natürlichem Wege eintreten. Dies unterscheidet die Geburt von etwa orthopädischen Eingriffen. Eine Aufklärung über Risiken der vaginalen Geburt ist deshalb rechtlich nutzlos. Die Informationen über Risiken helfen der Schwangeren nicht, weil sie sich nicht gegen die Risiken entscheiden kann (Risikoaufklärung). Eine Aufklärung über die Möglichkeit einer Sectio muss währenddessen nur erfolgen, wenn diese aufgrund des Nutzen-Risiko-Verhältnisses aus medizinischer Sicht eine gleichwertige Alternative ist (Alternativaufklärung).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die mütterlichen Risiken bei der Frage, ob eine Sectio eine gleichwertige Alternative ist, allerdings nicht weniger zu berücksichtigen als die Risiken für das Kind. Erhöhte Risiken für die Mutter sind bei der Nutzen-Risiko-Abwägung (Sectio vs. Vaginalgeburt) gleichermaßen zu berücksichtigen.

Überwiegen im jeweiligen Fall die Risiken der Schwangeren bei einer Vaginalgeburt die Risiken einer Sectio, muss die Schwangere über die primäre Sectio als Alternative aufgeklärt werden. Diese Aufklärung ist im Geburtsschadensrecht oft nicht ausreichend, weil nur auf die fetalen Risiken abgestellt wird. Das Geburtsschadensrecht und Arzthaftungsrecht zeigt, dass das individuelle Risiko von Geburtsverletzungen der Schwangeren vielfach nicht ermittelt wird. Diese Anamnese ist aus rechtlicher Sicht jedoch geboten, um die medizinische Entscheidung treffen zu können, ob die primäre Sectio als gleichwertige Alternative (allein aufgrund Risiken für die Mutter) in Betracht kommt. Erst dann kann eine standardgerechte Aufklärung erfolgen. Dies geschieht in der Praxis vielfach nicht, ist jedoch notwendig.

Zusammenfassung für alle Eltern und vor allem Mütter

Die Entscheidung über das Geburtskonzept obliegt allein der Schwangeren.

Die Aufgabe der aufklärenden Person ist es jedoch, frühzeitig eine umfassende Entscheidungsgrundlage zu schaffen, die Vor- und Nachteile abzuwägen und diese für die Schwangere verständlich darzulegen.

Geschieht dies nicht und kommt es zu Komplikationen, bestehen Schadensersatzansprüche. Eine Haftung scheidet in diesem Fall nicht aus. Die Schwangere genau und ohne eigene Präferenzen über den Geburtsmodus aufzuklären, ist eine grundlegende Aufgabe der Geburtshelfer und Geburtshelferinnen. Fehlt es an einer hinreichenden Aufklärung, liegt ein Haftungsgrund vor.

In diesem Fall stehen Ihnen und Ihrer Kleinen oder Ihrem Kleinen Schadensersatzansprüche zu.

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