Wenn während eines laufenden Arzthaftungsverfahrens der beklagte Krankenhausträger Insolvenz anmeldet, sehen sich Patientenanwälte mit einer komplexen Gemengelage aus Verfahrensrecht, Haftungsfragen und versicherungsrechtlichen Unsicherheiten konfrontiert. Die Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO ist nur der sichtbare Beginn einer Kaskade möglicher Fehlerquellen, die im schlimmsten Fall zum vollständigen Forderungsausfall führen können und das trotz gerichtlicher Geltendmachung.
Was in der Theorie eine Frage des Insolvenzrechts ist, wird in der anwaltlichen Praxis schnell zum haftungsträchtigen Stolperstein. Dieser Beitrag beleuchtet die drängendsten Fragen rund um die Verfahrensunterbrechung bei Krankenhausinsolvenz, zeigt typische Fehlerquellen auf und erklärt, wie eine spezialisierte insolvenz-arzthaftungsrechtliche Beratung in Untervollmacht helfen kann, Mandate abzusichern ohne Honorare zu verlieren.
Die hier dargestellten Erkenntnisse beruhen auf unserer anwaltlichen Praxis in zahlreichen Fällen, in denen wir die Geschädigtenseite bei Insolvenz des Krankenhausträgers vertreten haben.
Verfahrensunterbrechung und Gläubigerstatus: Was passiert bei laufender Klage?
Wird über das Vermögen eines Krankenhausträgers ein Insolvenzverfahren eröffnet, tritt gemäß § 240 ZPO eine Verfahrensunterbrechung ein. Das Gericht stellt das Verfahren bis zur Aufnahme durch den Insolvenzverwalter oder einen entsprechenden Verfahrensbeteiligten ein. Für Mandanten besteht dadurch das Risiko, dass ihr Schadensersatzanspruch in eine „normale“ Insolvenzforderung nach § 38 InsO überführt wird mit der Folge, dass nur noch eine (oft geringe) Quote realisiert werden kann.
Die Situation wird zusätzlich verkompliziert, wenn Patienten nicht wissen, ob und wie der Haftpflichtversicherer in das Verfahren einbezogen ist. Denn die Absicherung der Ansprüche hängt entscheidend davon ab, ob und in welchem Umfang Deckung besteht. Hier müssen Patientenanwälte schnell und entschlossen handeln.
Deckungsschutz prüfen: Wie viel Haftpflicht steckt noch im Fall?
Ein häufig unterschätztes Thema ist die Unsicherheit über die Berufshaftpflichtversicherung des Krankenhausträgers. Ist der Versicherungsfall gemeldet worden? Besteht Deckung oder gibt es Ausschlüsse? Wie hoch ist die Selbstbeteiligung und wurde die Haftungshöchstsumme schon ausgeschöpft?
Hier ist ein paralleler Kontakt mit dem Versicherer unverzichtbar. Denn der Anspruch der Geschädigten ist im Außenverhältnis nur so weit durchsetzbar, wie im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Krankenhaus überhaupt eine Freistellungsverpflichtung besteht (§ 110 VVG). Es empfiehlt sich, frühzeitig eine Auskunft über bestehende Deckungssummen, Selbstbehalte, bereits geleistete Zahlungen und mögliche Einwände des Versicherers einzuholen. Andernfalls drohen trotz klarer Haftung Deckungslücken, für die niemand mehr haftet.
Fristfalle § 259b InsO: Wenn selbst anhängige Klagen nicht vor Verjährung schützen
Ein besonders tückischer Punkt ist § 259b InsO. Diese Vorschrift regelt, dass Insolvenzforderungen trotz laufender Klage verjähren können, nämlich ein Jahr nach Rechtskraft des Beschlusses, mit dem ein Insolvenzplan bestätigt wurde. Die Praxis zeigt, dass diese Frist oft übersehen wird, weil eine noch laufende Klage vermeintliche Sicherheit suggeriert. Doch ist die Forderung nicht innerhalb dieses Zeitraums form- und fristgerecht zur Tabelle angemeldet worden, kann sie vollständig untergehen.
Noch problematischer wird es, wenn Insolvenzpläne zusätzliche, sogenannte Ausschlussfristen enthalten, etwa für den Nachweis der Klageerhebung oder des Forderungsausfalls. Zwar sind solche Fristen rechtlich nicht immer unumstritten, doch wer sie versäumt, hat oft das Nachsehen. Patientenanwälte sollten deshalb nicht nur den Insolvenzplan sorgfältig prüfen, sondern auch eine eigene Fristenkontrolle aufbauen, idealerweise gestützt durch anwaltliche Begleitung mit Erfahrung auf der Schnittstelle Arzthaftung-Insolvenz-Versicherung.
Fehler bei der Forderungsanmeldung: Kleiner Formfehler, großes Risiko
Ein häufiger Fehler ist die unpräzise Anmeldung der Forderung. Denn die bloße Mitteilung eines noch nicht bezifferten Schadensersatzanspruchs reicht nicht aus. Vielmehr muss die Forderung kapitalisiert, also in einem festen Betrag angegeben werden (§§ 41, 45 InsO). Auch wiederkehrende Leistungen müssen geschätzt und abgezinst werden. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die nicht jedem Arzthaftungsjuristen geläufig ist.
Zudem ist die korrekte Adressierung entscheidend:
- bei der Regelinsolvenz an den Insolvenzverwalter,
- bei Eigenverwaltung an den Sachwalter (§ 270f Abs. 2 S. 2 InsO).
Eine fehlerhafte Anmeldung kann die Verjährung nicht hemmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB) und später keine wirksame Tabellenfeststellungsklage mehr tragen. Wer hier nachlässig arbeitet, riskiert nicht nur den Verlust des Anspruchs, sondern auch eigene haftungsrechtliche Konsequenzen.
Absonderungsklage und Tabellenfeststellung: Parallel denken, strategisch handeln
Eine Möglichkeit, den Anspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen, ist die sogenannte Absonderungsklage gegen den Krankenhausträger oder Insolvenzverwalter. Das Krankenhaus oder der Insolvenzverwalter bei Regelinsolvenz werden dann verurteilt, die Schadensersatzsumme zu zahlen, allerdings beschränkt auf die Deckung, die durch die Haftpflichtversicherung gewährt wird.
Daneben bleibt die klassische Tabellenfeststellung. Wird die Forderung bestritten, erhält der Gläubiger einen Auszug aus der Tabelle (§ 179 Abs. 3 InsO) und kann Klage erheben. Kommt es zur gerichtlichen Feststellung, entsteht hieraus ein vollstreckbarer Titel mit eingeschränkter Bindungswirkung für die Versicherung, aber als Basis für eine Zahlung aus der bestehenden Deckung.

Vermeidung anwaltlicher Haftungsrisiken: Wann spezialisierte Begleitung sinnvoll ist
Gerade bei komplexen Fallgestaltungen, etwa parallelem Insolvenzplanverfahren, mehreren Gesamtschuldnern oder unklarer Deckung, geraten auch erfahrene Arzthaftungsanwälte an Grenzen. Hier kann die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Kollegen oder einer spezialisierten Kanzlei eine wichtige Entlastung darstellen.
Besonders praxisnah ist in solchen Fällen die Beauftragung in Untervollmacht oder strikt beschränkt auf die Vertretung im Insolvenzverfahren. Dabei übernimmt der Kooperationsanwalt gezielt den insolvenzrechtlichen Teil der Bearbeitung – etwa die Forderungsanmeldung, Fristenkontrolle, Klageumstellung oder Kommunikation mit Insolvenzverwaltern und Versicherern – während der ursprüngliche Patientenanwalt das Mandat in der Hauptsache behält.
Diese Konstellation hat mehrere Vorteile:
- Keine Honorarverluste: Die unterbevollmächtigte Tätigkeit ist nach RVG als eigenständige anwaltliche Leistung gesondert abrechnungsfähig (3313 ff. VV). Es gibt für die Vertretung im Insolvenzverfahren eine eigene, nicht anrechenbare 1,0 Verfahrensgebühr. Das Hauptmandat bleibt vollständig erhalten.
- Klare Rollenverteilung: Der Kooperationsanwalt tritt nicht zwingend gegenüber dem Mandanten in Erscheinung, sondern agiert transparent und loyal im Hintergrund.
- Haftungsvermeidung: Durch Übergabe der insolvenzrechtlichen Komplexität an einen spezialisierten Kollegen können haftungsträchtige Fehler – etwa Fristversäumnisse oder falsche Anmeldungen – vermieden werden.
- Erfahrungsaustausch: Gerade bei seltenen Konstellationen wie Insolvenzplanverfahren oder Deckungsschutzprozessen bringt ein spezialisierter Kollege die nötige Routine mit.
Unsere Kanzlei hat inzwischen eine besondere Kompetenz an dieser Schnittstelle von Haftungs-, Insolvenz- und Versicherungsrecht entwickelt. Die Begleitung in Untervollmacht zielt nicht auf Mandatsübernahme, sondern auf strukturierte Unterstützung dort, wo Kolleg:innen mit der Materie nicht vertraut sind.
Klageumstellung, Fristenmanagement, strategische Beratung
Die Begleitung durch einen spezialisierten Anwalt eröffnet konkrete Handlungsoptionen: Soll die laufende Zahlungsklage in eine Feststellungsklage umgestellt werden? Wie lassen sich Fristen im Insolvenzplan sicher dokumentieren? Welche Unterlagen müssen wann vorgelegt werden? Gibt es noch andere Anspruchsgegner, etwa Chefärzte oder persönlich haftende Behandler?
All diese Fragen erfordern nicht nur rechtliches Know-how, sondern auch praktische Erfahrung. Denn gerade im Insolvenzplanverfahren sind Abstimmungstermine, Sonderfristen und die Prüfung der passivlegitimierten Partei keine Nebensachen. Wer hier nicht mit Expertise mit Insolvenzverwaltern, Sachwaltern und Versicherern kommuniziert, läuft Gefahr, Mandanteninteressen zu gefährden.
Zudem bewegt sich ein Patientenanwalt, der ohne insolvenzrechtliche Spezialkenntnisse handelt, in einem haftungssensitiven Feld. Die Rechtsprechung – insbesondere des BGH – stellt bei unterlassenem Hinweis, unzureichender Fristenkontrolle oder fehlerhafter Anspruchsgestaltung klare Anforderungen an die anwaltliche Sorgfalt (§§ 280, 675 BGB). Werden diese Pflichten verletzt, drohen nicht nur materielle Nachteile für den Mandanten, sondern auch Schadensersatzansprüche gegen den Anwalt selbst.
Mandatswahrung durch spezialisierte insolvenzrechtliche Beratung
Die Insolvenz eines Krankenhauses stellt Patientenanwälte vor besondere Herausforderungen, sowohl rechtlich als auch haftungsstrategisch. Wer diese Materie unterschätzt oder ohne insolvenzrechtliche Expertise bearbeitet, geht ein hohes Risiko ein. Umgekehrt bietet die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Anwalt wie Dr. Johannes Brocks die Möglichkeit, Mandate rechtssicher zu führen, Fristen zu wahren und Honorare zu sichern.
Sie benötigen Unterstützung bei einem laufenden Fall oder möchten sich absichern? Dann setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Dr. Johannes Brocks steht Ihnen als Fachanwalt für Medizinrecht zur Seite, kollegial, diskret und auf Wunsch in Untervollmacht. Einen tiefergehenden Einblick in die Materie bekommen Sie zudem durch den Aufsatz von Dr. Johannes Brocks in der MedR 4/2025 zu Krankenhausinsolvenzen sowie in unserem Leitfaden für Patientenvertreter, den Sie jederzeit bei uns anfordern können.